In Österreich sind in etwa 8% der Lebendgeburten Frühgeborene. Demnach gibt es in Österreich pro Jahr etwa 6.400 Frühgeborene, in etwa jedes 13. Kind.1

Wärmeverlust bei Frühchen entgegenwirken

Frühgeborene haben im Vergleich zu ihrem Gewicht eine große Körperoberfläche und verfügen nur über geringe Mengen an subkutanem Fettgewebe und niedrige Energiespeicher zur Wärmeerzeugung. Daher haben Frühgeborene Schwierigkeiten, ihre Körpertemperatur stabil zu halten. Kinder mit einem extrem niedrigen Geburtsgewicht sind besonders empfindlich gegenüber einem Wärmeverlust unmittelbar nach der Geburt. Eine geringe Körpertemperatur und Kältestress können sich negativ auf den Stoffwechsel auswirken, die Sauerstoffversorgung vermindern und schließlich das Wachstum beeinträchtigen.

Es ist daher sehr wichtig, Frühgeborene warm zu halten, um Stress zu vermindern und das Wachstum zu verbessern. Deshalb legt man die meisten Frühgeborenen in einen Brutkasten oder Inkubator, der das Baby warm hält, den Wasserverlust vermindert und die Infektionsgefahr reduziert.

Sauerstoffversorgung sicherstellen

Die Unreife der Atemfunktionen bei frühgeborenen Kindern ist eine Hauptursache für Sterblichkeit und Morbidität. Im Mutterleib bekommt das Kind den benötigten Sauerstoff über die Plazenta aus dem Blut der Mutter. Nach der Geburt atmet das Baby selbst, was aber bei sehr unreifen Kindern aus zwei Gründen problematisch sein kann: Erstens sind die unreifen Lungen noch nicht voll entwickelt und zweitens kann das Baby zu schwach beziehungsweise krank sein. Bei extrem unreifen Babys wird die Atmung häufig durch ein Beatmungsgerät unterstützt – mitunter über Wochen.

Unreifer Magen-Darm-Trakt: Parenterale Ernährung hilft

Die Unreife des Magen-Darm-Traktes führt ebenfalls zu mehreren Problemen: Frühgeborene, die vor der 34. Woche geboren sind, haben einen nicht ausreichenden Saugreflex oder können das Saugen, Schlucken und Atmen noch nicht koordinieren. Sie können auch zu schwach sein, um ausreichend zu trinken. Bevor sie also gestillt oder mit der Flasche ernährt werden, müssen sie häufig über eine Nahrungssonde ernährt werden, die durch ihre Nase oder ihren Mund in ihren Magen führt. Dazu kommt, dass die Peristaltik des Darms noch schwach ist und Frühgeborene ein geringes Magenvolumen haben. Dies kann die Verträglichkeit und die Menge an Nahrung einschränken. Weil Frühgeborene außerdem eine verminderte Enzymaktivität haben, können Verdauung und Absorption von Nährstoffen beeinträchtigt sein.

Da eine ausschließlich enterale Ernährung in Form von Stillen, Flaschen- oder Sondenernährung bei kleinen Frühgeborenen in den ersten Wochen nach der Geburt in der Regel nicht möglich ist, wird eine parenterale Ernährung in Form der meist intravasalen Verabreichung von Nährstoffen und Flüssigkeit unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes durchgeführt, um während dieser Zeit Energie und Nährstoffe zur Verfügung zu stellen.

Wasserhaushalt beobachten

Aufgrund ihrer unreifen Nieren und des erhöhten Wasserverlustes über die Haut muss der Wasser- und Elektrolythaushalt von Frühgeborenen sorgfältig überwacht werden.

Medizinische Komplikationen bei Frühgeborenen

Zu den häufigsten medizinischen Komplikationen gehören:

  • Hypoglykämie: Aufgrund der geringen Körperspeicher und des vermehrten Stresses haben Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht nach der Geburt auch Schwierigkeiten, ihren Blutzuckerspiegel stabil zu halten.
  • Hirnblutungen: Hirnblutungen gehören zu den schlimmsten Komplikationen. Diese werden durch viele Faktoren verursacht und können zu einer erheblichen Schädigung des Hirngewebes führen.
  • Erhöhtes Infektionsrisiko: Aufgrund ihres unreifen Immunsystems unterliegen Frühgeborene auch einem extremen Infektionsrisiko. Dieses ist einer der Hauptfaktoren von Morbidität und Sterblichkeit von Kindern mit extrem niedrigem Geburtsgewicht.
  • Nekrotisierende Enterokolitis (NEC): Nekrotisierende Enterokolitis oder NEC ist eine lebensbedrohliche Entzündung des Darms und der häufigste den Darm betreffende Notfall bei frühgeborenen Kindern, insbesondere bei kleinen Frühgeborenen. Trotz intensiver Forschung in den letzten 30 Jahren sind die Ursachen nach wie vor nicht vollständig geklärt. Die Rolle der enteralen Ernährung ist dabei umstritten. Die Symptome entwickeln sich typischerweise, wenn die betroffenen Babys gerade auf enterale Ernährung umgestellt oder voll enteral ernährt werden. Eine zu schnelle Nahrungssteigerung kann mit einem erhöhten NEC-Risiko im Zusammenhang stehen. Es hat sich gezeigt, dass bei Muttermilchernährung ein geringeres NEC-Risiko vorliegt.

Entwicklungsfördernde Betreuung

Die meisten der frühgeborenen Babys entwickeln sich normal, ein Teil ist in seinem Lernvermögen beeinträchtigt und einige haben schwere und dauerhafte Entwicklungsprobleme. In den letzten Jahren gibt es daher verstärkt Bemühungen, die Bedingungen der Intensivmedizin so zu gestalten, dass sie die Hirnentwicklung der Frühgeborenen und damit die neurologische Entwicklung der Kinder fördert2:

  • Ausgehend von den Erfahrungen in Bogota wurde auch in Europa die „Känguru-Pflege“ bei Frühgeborenen eingeführt.
  • Die Wiener Neonatologin Marina Marcovic prägte den Begriff des „sanften Umgangs mit Frühgeborenen“. Ihr Ansatz ist, die intensivmedizinische Maßnahmen auf das unbedingt notwendige Maß zu reduzieren und den frühen Kontakt zur Mutter zu fördern.
  • Auf die deutschstämmige Psychologin Dr. Heidelise Als aus Boston geht der Begriff der „entwicklungsfördernden individuellen Pflege“ zurück. Ihr bereits vor über 20 Jahren entwickeltes Konzept des „Newborn Individualized Developmental Care and Assessment Program“ hat sich inzwischen in mehreren wissenschaftlichen Studien als wirksam erwiesen.

Ernährung Frühgeborener nach der Entlassung

Wiegen Frühgeborene bei ihrer Entlassung zu wenig, sollte die Muttermilch mit Nährstoffen, Mineralstoffen und Spurenelementen angereichert oder eine Spezialnahrung zugefüttert werden. Bei der Frage wie das geht und worauf zu achten ist, benötigen Eltern oftmals Hilfe. Wissenschaftliche Empfehlungen können bei der Eltern-Beratung Unterstützung bieten.

Viele neonatologische Abteilungen entlassen stabile Frühgeborene mit einem post-konzeptionellen Alter von circa 35 bis 36 Wochen beziehungsweise mit einem Körpergewicht zwischen 1.800 und 2.100 g.2 Damit liegt ihr Körpergewicht bei der Klinikentlassung weit unter dem normalen Geburtsgewicht gesunder Reifgeborener. Sie haben darum ein erhöhtes Risiko für ein langfristiges Wachstumsdefizit. Die Ernährungskommission der europäischen Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN) hat daher Empfehlungen zum Ernährungsregime Frühgeborener nach der Klinikentlassung herausgegeben.2 Die Kommission empfiehlt, das Wachstum auch nach dem Krankenhausaufenthalt genau zu überwachen, um den Säuglingen eine adäquate Ernährung zukommen lassen zu können und eine Unter- oder Überernährung zu vermeiden.

Die ESPGHAN empfiehlt dazu:2

  • Frühgeborene, deren Entlassungsgewicht für ihr postkonzeptionelles Alter angemessen ist, sollten nach Möglichkeit gestillt werden bzw. eine Säuglingsnahrung mit regulärem Eiweißgehalt und langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren (LCP) erhalten.
  • Frühgeborene, deren Entlassungsgewicht für ihr postkonzeptionelles Alter zu niedrig ist, sollten bis zu einem postkonzeptionellen Alter von 40 bis 52 Wochen angereicherte Muttermilch oder eine Spezialnahrung für Frühgeborene (Post Discharge Formula; PDF) mit hohem Gehalt an Eiweiß (ca. 2,5 g/100 kcal), Mineralstoffen und Spurenelementen sowie LCPs erhalten.

Die Arbeitsgruppe Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin der Österreichischen Gesellschaft für Kinder und Jungendheilkunde (ÖGKJ) hat aktuell die Empfehlungen der ESPGHAN leicht modifiziert und weiter konkretisiert3:

  • Frühgeborene mit altersentsprechendem Gedeihen während des Krankenhausaufenthalts (Entlassungsgewicht über der zehnten Perzentile) sollen bis zum errechneten Geburtstermin mit angereicherter Muttermilch beziehungsweise mit einer PDF ernährt werden.
  • Frühgeborene mit bis zur Entlassung nicht adäquater Gewichtszunahme (Entlassungsgewicht unter der zehnten Perzentile beziehungsweise Perzentilenverlust über zwei Perzentilen) sollen bis zur korrigierten 52. Schwangerschaftswoche angereicherte Muttermilch beziehungsweise eine PDF erhalten.
  • Darüber hinaus sollen alle Frühgeborenen zumindest im ersten halben Jahr zusätzlich Eisen- und Vitaminsupplementierung erhalten.
Fuetterungsregime nach Klinikentlassung Abbildung 1: Fütterungsregime Frühgeborener nach Klinikentlassung in Abhängigkeit des Entlassungsgewichts beziehungsweise des Perzentilenverlusts; nach[2]

Die Anreicherung der Muttermilch kann durch Vermischung in einem Fläschchen erfolgen oder durch separate Gabe des Frauenmilchsupplements (in maximal 5 ml Wasser) vor dem Stillen mittels Fingerfeeder, Fläschchen oder Spritze. Es reicht, lediglich jede zweite Muttermilchmahlzeiten anzureichern.3

  1. Durchschnittswert der letzten zehn Jahre. Quelle: Statistik Austria (2021) Frühgeborene seit 1984 nach ausgewählten Merkmalen. Verfügbar unter: https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bevoelkerung/geborene/medizinische_und_sozialmedizinische_merkmale/066971.html 
  2. Aggett, P., Agostoni, C., Axelsson, I., Curtis, M., Goulet, O., Hernell, O., Koletzko, B., Lafeber, H., Michaelsen, K., Puntis, J., Rigo, J., Shamir, R., Szajewska, H., Turck, D., Weaver, L., ESPGHAN, C. o. Feeding preterm infants after hospital discharge: a commentary by the ESPGHAN Committee on Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2006;42:596-603
  3. Haiden, N., Hauer, A., Pietschnig, B., Repa, A., Pollak, A., Rock, I., Scholl-Bürgi, S., Karall, D., Sperl, W., Weghuber, D. Z., Berger, A., Resch, B. Ernährung Frühgeborener nach der Entlassung. Konsensuspapier der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (ÖGKJ) gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin der ÖGKJ. Monatsschr Kinderheilkd 2012;160:491-8
  4. Bundesverband „Das frühgeborene Kind“: Entwicklungsprognose frühgeborener Kinder https://www.uk-essen.de/fileadmin/Kinderklinik/Downloads/Entwicklungsprognose.pdf 2014)

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