Wahrscheinlich kennt ihn jede von Ihnen, die mit frischgebackenen Eltern zu tun hat: diesen Stoßseufzer der Verzweiflung: „Die Nächte machen mich fertig!“ – oft in Verbindung mit dem Satz „Sie müssen mir helfen!“

Schlafentzug ist grausam, so viel steht fest. Der Anblick des eigenen süßen Babys nachts um drei stellt dabei für Mama und Papa nur einen schwachen Trost dar. Auch das wissen alle, die selbst Kinder haben und sich beruflich mit der Begleitung von Eltern im Wochenbett und der Zeit danach befassen. Dass dieser Zustand meist nur eine Phase ist, die sich irgendwann von selbst erledigen wird, ist uns als professionellen Helfer*innen bewusst. Erst-Eltern helfen unsere Erkenntnisse allerdings kaum weiter. Das Gefühl von Hilflosigkeit und Verzweiflung, gepaart mit den hormonellen Turbulenzen der postpartalen Phase, lässt den Verstand einknicken. Zeitliche Vorstellungen kommen nicht mehr über die nächsten 24 Stunden hinaus – wie soll da ein gut gemeintes „Später wird es wieder besser“ hilfreich sein?

Wer auch immer mit den Eltern in dieser ersten beanspruchenden Zeit in Kontakt kommt – Sie als  Hebamme, der Kinderarzt/die Kinderärztin, der/die Stillberater*in, aber auch die Großeltern, die Freunde und Verwandten der Familie – wird mit dem Thema Schlaf konfrontiert. Dabei hat das Gefühl der Hilflosigkeit und Verzweiflung der Eltern verschiedene Gesichter: Am ehesten sichtbar wird es, wenn (in der Regel bei der Mama) Tränen fließen, wenn ein „Ich kann nicht mehr!“ laut ausgesprochen wird. Manchmal versteckt sich das Gefühl der Ohnmacht aber auch hinter einem fordernd-aggressiven Auftreten: „Sie MÜSSEN mir sagen, was ich tun kann, damit mein Baby endlich durchschläft!“ Gut gemeinte Ratschläge werden dann häufig beinahe ärgerlich abgewehrt: „Wir haben schon alles versucht! Nichts hilft!“

Empathie und Mit-Fühlen als Schlüssel zum Erfolg

Jede*r, der schon einmal in diese Falle getappt ist, weiß, wie kompliziert es dann weitergehen kann: Die gelieferten Ideen und Hinweise erreichen die Mutter nicht, sondern können im schlimmsten Fall eine tiefe Kluft zwischen ihr und den/die Helfer*in reißen. Beide fühlen sich unverstanden: Die Mutter, weil der Kern ihres Problems nicht erkannt und angesprochen worden ist. Und der/die Helfer*in, der/die sich in seinen/ihren Bemühungen nicht bestätigt und anerkannt fühlt, mit dem Gefühl eigener Hilflosigkeit zurückbleibt und sich vielleicht die Frage stellt, ob diese Mutter möglicherweise von Natur aus undankbar und an einer Lösung ihres Problems nicht wirklich interessiert ist.

Supervision und kollegialer Austausch mit Kolleg*innen sind eine gute Idee. Hilfsmittel, mit denen Sie in Ihrer täglichen Arbeit immer wieder zur inneren Mitte, zu Ihrem eigenen Vertrauen in eine mögliche Lösung der Situation finden können, haben Sie glücklicherweise auch zur Hand. Die bewusste Atmung gehört dazu, der Body-Scan aus der Achtsamkeitspraxis ebenso. Finden Sie auch für sich die Möglichkeit im Alltag Inseln der inneren Ruhe zu schaffen. Aus dieser Ruhe und Kraft heraus können Sie Klientinnen am besten unterstützen!

Wie Hebammen Eltern im Thema Babyschlaf unterstützen können

Der Umgang der Frauen mit ihren eigenen Bedürfnissen kann sich stark auf das Thema Baby Schlaf auswirken. Wenn die Mama alle eigenen Bedürfnisse dem neugeborenen Baby unterordnet, wird die Pause am Abend und die ungestörte Nachtruhe zu einer ersehnten Oase: „Nur noch ein paar Stunden durchhalten, dann kann ich endlich mal eine Pause machen!“.  Aus dieser Haltung folgt beinahe logisch eine starke Erwartungshaltung dem eigenen Baby gegenüber: „Du MUSST jetzt schlafen!“ Geht diese Rechnung nicht auf (und das ist, logisch, fast immer der Fall!), werden Hebammen als professionelle Elternbegleiter*innen und Helfer*innen zur Zielscheibe der Erwartung: „Sagen Sie mir, was ich tun soll, damit mein Baby endlich schläft! Sie MÜSSEN mir helfen!“

Es liegt in der Natur der Sache, dass das Baby und seine Bedürfnislage an erster Stelle stehen. Grundsätzlich ist das auch kein Problem – wenn die Mutter ausreichend Gelegenheiten wahrnimmt, sich um sich selbst zu kümmern, die eigenen Energiereserven wieder „aufzuladen“. Insbesondere die stillende Mama braucht Kraft, körperliche wie emotionale, die sie dann in Form von Muttermilch und Zuwendung an ihr Baby weitergeben kann. 

Diese Kraft kann eine Mutter nur teilweise aus sich selbst heraus schöpfen:

  • Nahrung in Form von ausreichender, gesunder Kost
  • Emotionaler Rückhalt
  • Praktische Unterstützung bei der Hausarbeit
  • Hilfe bei der Versorgung des Babys

Diese Faktoren sind unerlässlich, damit der Kräftehaushalt immer wieder aufs Neue ins Gleichgewicht gebracht werden kann.

In meiner Praxis stelle ich fest, dass viele Erstgebärende sich selbst anfangs noch nicht erlauben, in Gegenwart des Kindes einen Moment der Entspannung zu genießen. Alle Bedürfnisse und Wünsche werden aufgeschoben, auf den Abend oder sogar auf einen unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft.

Verzweiflung der Eltern erkennen

Weitere Aspekte verschärfen die Lage: So der verbreitete Glaube, ein Baby müsse durch das eigenständige Schlafen so früh wie möglich zur Selbstständigkeit erzogen werden. Die mahnenden Stimmen, das Baby nicht zu verwöhnen. Berichte von anderen Eltern, die eins zu eins auf die eigene Situation übertragen werden – ohne zu berücksichtigen, dass die eigenen Empfindungen der wichtigste Ratgeber sind.

Wird die dringend benötigte Verschnaufpause ständig unterbrochen, erleben das Eltern beinahe wie einen gewaltsamen Übergriff: Das Baby scheint es fast darauf anzulegen, sie nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Aussagen wie „Unser Baby WILL einfach nicht schlafen!“ muten weniger seltsam an, wenn man verstanden hat, welche Ausmaße die Verzweiflung der Eltern annehmen kann.

Innere Ruhe als Hilfsmittel

Ein weinendes oder schreiendes Baby zu begleiten und ihm zu helfen, wieder zur Ruhe zu finden, ist nur möglich, wenn ich als Mutter (oder als Vater) selbst in Ruhe bleiben kann. Dazu benötige ich Hilfsmittel, die es mir erlauben, mich immer dann, wenn ich von der Unruhe des Babys „angesteckt“ werde, in meine Ruhe und innere Stabilität zurück zu finden. Diesen Zusammenhang zu begreifen und die Hilfsmittel am eigenen Körper ganz praktisch-konkret erspüren zu lernen – darum geht es in der „Emotionellen Ersten Hilfe“.

Hebammen können den Blick auf die Mutter lenken und sie dabei begleiten, das gleiche zu tun. Sich selbst wichtig zu nehmen, sich um sich selbst zu kümmern, sich selbst eine gute Mutter zu sein – das mag ziemlich unspektakulär klingen. Und doch steckt in dieser Grundhaltung so viel Nützliches und Hilfreiches! Und für Hebammen als Helfer*innen gilt das Gleiche in Grün: Eine gute Selbstanbindung, ein In-der-Mitte-bleiben ist zentral wichtig für die Arbeit.

Welche Auswirkungen hat Schlafmangel auf das Baby?

Schlaf ist ein Thema, das Eltern von Neugeborenen wie auch von Kindern bis ins Grundschulalter hinein stark beschäftigt. Während es bei Babys die Frage ist, wann das Kind durchschläft, führen Mütter und Väter mit ihren älteren Kindern häufig lange Diskussionen, wie lange diese noch aufbleiben dürfen. Doch ausreichend Schlaf ist gerade für die Entwicklung des Gehirns der Kinder enorm wichtig.

Wissenschaftler*innen zeigten, dass Schlafmangel zu enormen Problemen führen kann. Denn, bei gutem Schlaf erholt sich der Körper sowie das Gehirn2, Gelerntes wird vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis verschoben3 und auch die Psyche kann sich eine Pause gönnen2. Sogar das Immunsystem regeneriert sich während des Schlafes für den kommenden Tag. Regelmäßige Schlafdefizite scheinen Kinder also anfälliger für Krankheiten zu machen4. Darüber hinaus deuten die Ergebnisse einer Studie der britischen Universität of Warwick darauf hin, dass Schlafmangel ein wichtiger Risikofaktor für Adipositas sein könnte5.

Empfehlungen zum Babyschlaf von Schlafmediziner*innen

Wie Schlafmediziner*innen der American Academy of Sleep Medicine herausfanden:

  • Sollten Säuglinge bis 12 Monate über den gesamten Tag verteilt 12 bis 16 Stunden schlafen.
  • Kinder bis zwei Jahre benötigen 11 bis 14 Stunden Schlaf
  • Im Alter von drei bis fünf Jahren sind 10 bis 13 Stunden empfohlen, damit ihre Gesundheit optimal gefördert wird.
  • Grundschulkindern empfehlen die Forscher*innen bis zu einem Alter von zwölf Jahren, in der Nacht rund 9 bis 12 Stunden zu schlafen.1

Schlafdefizite betreffen vor allem die hinteren Hirnregionen bei Kindern

Ein internationales Team von Forscher*innen untersuchte erstmals die Auswirkungen von Schlafentzug auf die Hirnentwicklung von Kindern6. Sie verglichen die Gehirnaktivität von Kindern in einer Nacht mit empfohlener Schlafdauer mit einer Nacht von lediglich der Hälfte an Schlaf. Die Ergebnisse: Die Proband*innen zeigten wie Erwachsene auch bei Schlafmangel einen gesteigerten Bedarf an Tiefschlaf – dabei reagieren im kindlichen Gehirn jedoch statt der vorderen vor allem die hinteren Gehirnregionen. Dabei sind Bereiche betroffen, die für die räumliche Wahrnehmung und das Sehen zuständig sind sowie Areale, die multi-sensorische Signale verarbeiten – also die Regionen, die bei Kindern noch in der Entwicklung sind.

Das lässt darauf schließen, dass sich zu wenig Schlaf negativ auf die Hirnentwicklung auswirkt. Außerdem vermutet das Team um Kurth, dass auch die Schlafqualität für die optimale Entwicklung der neuronalen Verbindungen entscheidend ist. Die Ursachen von schlechtem Schlafen wurden dabei jedoch nicht untersucht.

– Diplom-Psychologin Britt Bürgel

  1. Paruthi S et al. Recommended Amount of Sleep for Pediatric Populations: A Consensus Statement of the American Academy of Sleep Medicine. J Clin Sleep Med. 2016; 12(6): 785–786
  2. Watson NF et al. Joint Consensus Statement of the American Academy of Sleep Medicine and Sleep Research Society on the recommended amount of sleep for a healthy adult: methodology and discussion. Sleep. 2015; 38(8): 1161–1183
  3. Rasch B, Born J. About sleep’s role in memory. Physiol Rev. 2013; 93(2): 681–766
  4. Medic G, Wille M, Hemels ME. Short- and long-term health consequences of sleep disruption. Nat Sci Sleep. 2017; 9: 151–161
  5. Miller MA et al. Sleep duration and incidence of obesity in infants, children, and adolescents: a systematic review and meta-analysis of prospective studies. Sleep. 2018; 41(4)
  6. Kurth S et al. Increased Sleep Depth in Developing Neural Networks: New Insights from Sleep Restriction in Children. Front. Hum. Neurosci. 2016; Online unter: https://doi.org/10.3389/fnhum.2016.00456

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