Die mütterliche Milchbildung ist ein komplexer Prozess, bei dem neben sozialen, körperlichen, mentalen und emotionalen Faktoren auch die Interaktionen vieler Hormone eine Rolle spielt. Ein Prozess, der auch beeinflussbar ist.

Einflussfaktoren auf Milchbildung und Milchmenge

Die Voraussetzung zur Milchbildung beginnt bereits in der Schwangerschaft. Bis zur Geburt kann sich das Brustgewicht verdoppeln bis verdreifachen1 – dabei entscheidet aber nicht die Größe der Brüste, sondern die Ausbildung ihres Drüsengewebes über die später verfügbare Milchmenge. Dies geschieht unter dem Einfluss von Hormonen – insbesondere Östrogenen und Progesteron, die erst von den Eierstöcken und dann von der Plazenta gebildet werden und im Hypothalamus die Bildung von Prolaktin bewirken. Gleichzeitig hemmen diese Hormone aber, insbesondere das Progesteron, sinnvollerweise die Milchsekretion vor der Geburt.2

Der Einfluss von Prolaktin auf die Milchbildung

Nach der Geburt wird die Plazenta abgestoßen und durch das Sinken der Spiegel an plazentarem Progesteron kann das Hormon Prolaktin die Milchbildung (Laktogenes II) ungehindert fördern – zunächst das immunglobulinreiche Kolostrum.3

Für die Erhaltung der Milchbildung ist ein neurohormonaler Reflex verantwortlich. Die mechanische Reizung der Brustwarzen beim Stillen bewirkt im Hypothalamus eine verminderte Ausschüttung von Dopamin, das bei nicht stillenden Frauen die Prolaktinbildung und -ausschüttung hemmt. Zusätzlich fördern weitere Neuropeptide aus dem Hypothalamus die Abgabe von Prolaktin aus dem Hypophysenvorderlappen. Die mit jedem Stillen um das Zehnfache erhöhte Konzentration von Prolaktin stimuliert die Milchproduktion für das folgende Stillen. Über den gleichen Reflexbogen wird Oxytocin freigesetzt, das den Milchfluss durch Kontraktionen der Milchgänge fördert.2 Oxytocin wird aber auch durch den Anblick, Geruch oder das Weinen des Babys ausgelöst.5

Laktozyten – die Milchbildungszellen der Brust

Die Bildung der Hauptnährstoffe der Muttermilch – Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate – findet in speziellen Milchzellen der Brust statt, den Laktozyten. Andere Bestandteile, wie Vitamine und Mineralstoffe, beziehen die Laktozyten aus dem mütterlichen Plasma. Alle Bestandteile werden dann zu den Alveolen des Brustgewebes transportiert und dort gespeichert, bis sie vom Kind abgesaugt werden, was erneut die Milchbildung stimuliert.5

Galaktagoga – Mittel zur Milchsteigerung

Galaktagoga sind Medikamente (z.B.: Metoclopramid, Domperidon), Hormone (z.B. Wachstumshormon, TRH: Thyrotropin-Releasing-Hormon) oder Kräuter, deren Verwendung die mütterliche Milchproduktion unterstützen sollen. Sie sollte laut «Academy of Breastfeeding Medicine» (ABM) nur dann vom Arzt/der Ärztin verschrieben werden, wenn behandelbare Ursachen (z.B. mütterlicher Hyperthyreoidismus, Medikamenteneinnahme oder technische Schwierigkeiten beim Stillen) nicht behoben werden können oder eine Steigerung des Stillens oder Abpumpens nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat.8

«Milchbildungstees»

Schon immer haben Frauen verschiedene Kräuter oder Nahrungsmittel verwendet, um die Milchproduktion zu verbessern. Dazu gehören Bockshornklee, Silymarin-Trockenextrakt aus Mariendistelfrüchten, getrocknete Meerrettichbaumblätter sowie der in der ayurvedischen Medizin bekannte Shatavari-Wurzelextrakt. Bei klinischen Studien mit diesen Substanzen – nur wenige mit geringer Probandenzahl liegen vor – wurden teilweise positive Effekte auf die Milchbildung beobachtet; zumindest aber keine Nebenwirkungen.9 Als weitere pflanzliche Galaktagoga werden Kümmel, Fenchel, Geißklee, Brennnessel, Silberdistel und Frauenmantel erwähnt.8

Laut «Netzwerk Junge Familie» ist die milchproduktionsfördernde Wirkung von Milchbildungstees nicht ausreichend wissenschaftlich belegt, sie könnten aber als Placebo wirken oder zumindest die Flüssigkeitszufuhr der Stillenden erhöhen.7 Laut ABM wird der traditionelle Gebrauch dieser Kräuter als sicher und manchmal auch als effektiv beurteilt.8

Die ABM weist auch darauf hin, dass es für frei verkäufliche Kräuter keinerlei Standards für die Dosierung, Zubereitung oder Zusammensetzung gibt und dass diese Produkte auch durch teils betrügerische Zubereitungen eventuell toxisch kontaminiert sein können. Apotheken sind daher sichere Quellen für kontrollierte Qualität.8

Stillberatung steht an erster Stelle

In einer Umfrage aus dem Jahr 2009 unter 351 in der Schweiz praktizierenden Hebammen gaben 93 Prozent der Teilnehmerinnen an, dass ihre Klientinnen Galaktagoga benötigen, beispielsweise aufgrund zu geringer Milchbildung zu Beginn des Stillens, Gewichtsverlust des Neugeborenen über zehn Prozent des Geburtsgewichts oder Verringerung der Milchbildung nach mehreren Wochen.10 Die Autorinnen dieser Umfrage betonen in ihrer Veröffentlichung aber, dass für die Mehrheit der Mütter Stillprobleme durch eine Stillberatung behoben werden können und der Gebrauch von Galaktagoga bei geringer Milchbildung auf keinen Fall eine Stillberatung ersetzen kann.

Die Milchbildung ist ein faszinierender, natürlicher Vorgang, der exakt auf den Bedarf Neugeborener zugeschnitten ist. Hebammen und Stillberater:innen stehen hier an erster Stelle, wenn es um professionelle Beratung der Mütter geht.

  1. Lawrence RA & Lawrence RM (2011) Breast- feeding: Guide for the Medical Professional. Mosby 7. Auflage;
  2. Pape HC, Kurtz A & Silbernagel S (2014) Physiologie. Thieme 7. Auflage;
  3. Neville MC & Morton J (2001) J Nutr 131:3005S-8S;
  4. Neville MC et al. (1988) Am J Clin Nutr 48:1375-86;
  5. Blackburn ST (2013) Maternal, fetal, & neonatal physiology: a clinical perspective. Elsevier Saunders Maryland Heights;
  6. DGE (2015) Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr.  Bonn, 2. Auflage;
  7. Koletzko B et al. (2016) Monatsschr Kinderheilkd 153:S433-57;
  8. Wendy Brodribb and the Academy of Breastfeeding Medicin (2018), ABM Clinical Protocol #9: Use of Galactogogues in Initiating or Augmenting Maternal Milk
    Production, 2. Auflage; https://www.bfmed.org/media/files/protocols/protocol_9_german.pdf
  9. Bazzano AN et al. (2016) Ochsner J 16:511-524; [10] Meyer Y, Winterfeld  U & Panchaud A (2010) Hebamme.ch 5:4-9

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