Sie haben bestimmt schon davon gehört: Der digitale Mutterpass ist da. Seit Beginn des Jahres ist der Mutterpass Teil der elektronischen Patientenakte. Was bedeutet die Digitalisierung des Mutterpasses, wie sieht die Nutzung in der Realität aktuell aus und was sind Vor- aber auch Nachteile für die Beteiligten und vor allem für Sie als Hebammen? Wir klären auf:

Erst einmal: Was ist der digitale Mutterpass?

Jede Schwangere und jede Mutter besitzt ihn, den blauen Mutterpass, der die gesamte Schwangerschaft von Beginn an aufzeichnet – vom Wachstumsverlauf über die Geburt bis hin zum Wochenbett und den U-Untersuchungen. Während in den vergangenen 60 Jahren jede Schwangere im Rahmen ihrer ersten Untersuchung den Mutterpass in gedruckter Form ausgehändigt bekam, können werdende Mütter diesen ab sofort und zukünftig über eine App digital auf ihr Smartphone holen. Rein optisch unterscheidet sich der E-Mutterpass dabei nicht von seiner gedruckten Version.

Die entscheidende Neuerung: Mit dem digitalen Mutterpass soll die Dokumentation aller relevanten Informationen zentral gebündelt werden. Dabei werden sämtliche Untersuchungsergebnisse der Mutterschaftsvorsorge in den digitalen Mutterpass übertragen.

Der Vorteil für die werdende Mutter: Hausärzte, Gynäkologen und Hebammen haben – zumindest in der Theorie – übergreifend Zugriff auf die medizinische Vorgeschichte und alle relevanten und aktuellen Informationen. Die werdende Mutter hat beim Arzt- oder Klinikbesuch ihren Mutterpass vergessen? Kein Problem! Mit der elektronischen Alternative gehen keine Daten verloren und können sofort und überall aufgerufen und gelesen werden1.

Die Schwangere wird aus bestimmten Gründen zu anderen Ärzt:innen überwiesen? Über den digitalen Mutterpass können alle relevanten Daten schnell und einfach abgerufen werden und es gehen keine Informationen verloren, welche die Schwangerschaft, Geburt- oder Stillzeit gefährden könnten.

Die werdende Mutter wird geburtsbegleitend von der Hebamme besucht? Die Hebamme kann über die App ganz einfach alle wichtigen Daten überblicken. Und auch die Besitzerin des Mutterpasses selbst kann Einsicht in ihre Daten nehmen, welche von Kliniken, Ärzt*innen und Hebammen übermittelt werden2.

Seit wann gibt es den digitalen Mutterpass und Fragen der Datenspeicherung

Seit dem 01. Januar 2022 können alle gesetzlich krankenversicherten Schwangeren den E-Mutterpass im Rahmen der elektronischen Patientenakte nutzen. Hierbei muss sich die werdende Mutter zwischen der haptischen und der neuen digitalen Variante entscheiden. Eine Kombination ist nicht möglich. Ein System für privat Versicherte fehlt aktuell noch, diesen steht also die digitale Mutterpasslösung nicht zur Verfügung.

Ungeklärt ist noch die Dauer der Speicherungsfrist der Patientendaten im E-Mutterpass. Noch gibt es keine gesetzlichen Vorgaben, wie lange die erhobenen Daten im digitalen Mutterpass aufbewahrt werden. Es ist also fraglich, wie lange die Informationen künftig über die App abrufbar sein werden – Ist die gesetzliche Speicherungsfrist abgelaufen, verschwinden die Daten3. Dabei wäre es mit Sicherheit sinnvoll, alle Geburtsdaten längerfristig über die elektronische Patientenakte abrufen zu können, denn Angaben zu früheren Schwangerschaften können für weitere Schwangerschaften relevant sein.

Bewertung in der Praxis und aus Sicht der Hebammen

So einfach und sinnvoll der digitale Mutterpass in der Theorie im ersten Moment auch klingt, in der Praxis gibt es aktuell noch sehr viele Hürden. Eine große Schwachstelle ist hierbei die Technik, denn momentan sind die notwendigen Bedingungen schlichtweg noch nicht für alle gegeben. Nicht alle Ärzt*innen und Hebammen haben zumindest aktuell Zugriff auf die elektronischen Patientenakten und damit den digitalen Mutterpass.

Hierfür ist die sogenannte Telematikinfrastruktur (TI) die technische Grundlage. Diese verspricht neben dem Einblick und Zugriff auf die elektronischen Patientenakte für Hebammen auch eine einfache und schnelle Abrechnung mit den Krankenkassen und die monatliche interne Abrechnungserstellung. Hier müssen sich Hebammen aber zunächst einmal an die Infrastruktur anbinden und sich über entsprechende Anbieter und Services informieren. Immerhin werden die Kosten durch die Gesetzlichen Krankenversicherungen refinanziert4.

Zu erwähnen ist hierbei, dass ein mobiles System der Telematikinfrastruktur voraussichtlich erst ab 2023 zur Verfügung steht. Somit ist es Hebammen unterwegs und bei Hausbesuchen nicht möglich, direkt auf die Patientenakte und den digitalen Mutterpass zuzugreifen. Informationen können also erst im Nachgang am PC eingepflegt werden.

Der fehlende Zugriff ist auch im Notfall ein Problem. Da Schwangere die haptische Variante immer bei sich tragen, können Rettungskräfte hier normalerweise schnell Informationen ablesen. Mit dem digitalen Mutterpass auf dem Smartphone der Patient:in ist dies erschwert, gerade wenn diese nicht ansprechbar sein sollte5.

Ein weiterer Nachteil: Das digitale System ist für die Kommunikation zwischen deutschen Institutionen gedacht, nicht aber für ärztliche Behandlungen im Ausland6. Die Informationen im digitalen Mutterpass sind in diesem Fall nicht auslesbar, was gerade in medizinischen Notfällen zum Verhängnis werden kann. Wenn sich die werdende Mutter während ihrer Schwangerschaft im Ausland aufhalten wird, sollte also zum Papier-Mutterpass geraten werden.

  1. Deutsches Ärzteblatt: Pilotprojekt: Elektronischer Mutterpass, unter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/61010/Pilotprojekt-Elektronischer-Mutterpass (abgerufen am: 18.02.2022).
  2. gesund.bund.de: Der elektronische Mutterpass (E‑Mutterpass) vom 15.11.2021, unter: https://gesund.bund.de/elektronischer-mutterpass#grundlage (abgerufen am: 17.02.2022).
  3. Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutz-Gesetz – PDSG) vom 14. Oktober 2020, unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/P/PDSG_bgbl.pdf (abgerufen am: 18.02.2022).
  4. Website der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV): Anwendungen der TI: Elektronische Patientenakte (ePA), unter: https://www.kbv.de/html/epa.php (abgerufen am: 18.02.2022).
  5. Website der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV): Elektronischer Mutterpass (e-Mutterpass), unter: https://www.kbv.de/html/e-mutterpass.php (abgerufen am: 18.02.2022).
  6. Website Medizinische Informationsobjekte (MIO): Mutterpass 1.0.0: Hintergrundinformationen, unter: https://mio.kbv.de/display/MP1X0/Hintergrundinformationen (abgerufen am: 18.02.2022).

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